Wenn ein Prüfer zum Prüfling wird (1)

Prüfung Es war eine Schnappsidee. Eine echte Schnapsidee. Als mein Kollege Martin mir anläßlich eines Prüferworkshops vor einem Jahr davon erzählte, dass er die Prüfung zum Berufspädagogen ablegen wolle. Ohne Vorbereitungskurs. Und ich dann meinte, dass könne ich ja auch probieren. Einfach nur mit der Erfahrung aus beruflicher Tätigkeit.

Nun saßen wir da – ein Jahr später – an drei Tagen vor insgesamt sechs Klausuren von je zweieinhalb Stunden. Nach jeder Klausur tauschten wir uns kurz über unsere Anworten aus, die nicht weiter hätten auseinander liegen können. Es blieb jedenfalls die Hoffnung, trotz teilweise recht gegensätzlicher Antworten zumindestens die jeweils erforderlichen 50 Punkte erreicht zu haben.

Interessant war in diesen Tagen auf jeden Fall der Sichtwechsel vom Prüfer zum Prüfungskandidaten. Denn ich fand bestätigt, was sicherlich jedem Prüfling beim Schreiben von Prüfungsklausuren passieren kann:

Achte auf die Zeit!

Die Zeiteinteilung ist ein kritischer Faktor, denn die Prüfungszeit ist begrenzt. Häufig wird viel Zeit auf Fragen mit wenig Punkten verwendet, die dann bei Fragen mit wesentlich mehr Punkten fehlt. Dabei steht die Anzahl der Punkte in direktem Verhältnis zum Umfang der erwarteten Antwort.

Mein Tipp:
Ermitteln Sie für jede Aufgabe, wie viel Zeit maximal auf die Antwort verwendet werden darf. Die Formel dafür ist einfach: Multiplizieren Sie die Punkte der Aufgabe mit der Prüfungszeit und teilen Sie das Ergebnis durch 100. Bei einer Aufgabe, für die es 10 Punkte gibt, ergeben sich bei einer Prüfungszeit von 90 Minuten somit maximal 9 Minuten für die Antwort, bei einer Prüfungszeit von 150 Minuten maximal 15 Minuten.

Mit hat geholfen, dass ich neben jede Aufgabe die so berechneten Minuten geschrieben und immer wieder die Zeit kontrolliert habe.

Nicht von Lieblingsthemen hinreißen lassen!

Das ist mir auch passiert: Das Thema lag mir, und ich hätte noch endlos dazu schreiben können. Habe sogar mehr Zeit darauf verbracht, als ich vorher festgelegt hatte (siehe oben). Aber es gab eben nicht „endlos“ Punkte für die Aufgabe.

Mein Tipp:
Immer wieder einen Blick auf die Zeit und die Punkte werfen, und den Schreibumfang daran ausrichten. Für sechs Punkte 3 1/2 Seiten zu schreiben, bringt nicht mehr als sechs Punkte. Für 15 Punkte nur drei Zeilen zu schreiben bringt keinesfalls 15 Punkte.

Aufgabenstellung gründlich lesen!

Als Prüfer stolpere ich immer wieder darüber, dass die Prüfungskandidaten hervorragende Antworten schreiben – doch leider knapp an der Themenstellung vorbei. Fast wäre mir das auch passiert, denn erst beim vierten Lesen einer Aufgabenstellung fiel mir der entscheidende Begriff für die Antwort auf. Da hatte ich bereits eine andere Lösung skizziert, die ich verwerfen musste.

Mein Tipp:
Aufgabenstellung mindestens dreimal lesen: Erst überfliegen, dann in Ruhe lesen und wichtige Passagen markieren, dann nochmals gründlich lesen. Wenn ein Schlüsselwort einen Lösungsweg suggeriert bitte nochmals lesen, ob genau dieses Wort wirklich entscheidend ist.

Antwortumfang beachten!

Die meisten IHK-Prüfungen mit ungebundenen Aufgaben erwarten Antworten in ganzen Sätzen, nicht nur in Stichwörtern. Um die komplette Punktezahl zu erreichen ist es wichtig, darauf zu achten, was hinsichtlich des Umfanges gefordert ist.

Mein Tipp:
Nur Aufgabenstellungen mit der Aufforderung „nennen“ sollten mit Stichworten oder Aufzählungen beantwortet werden. Alle anderen (erläutern, beschreiben, darlegen, definieren, etc.) erfordern eine Antwort in ganzen Sätzen.

Jetzt wollen Sie sicherlich wissen, wie’s ausgegangen ist:

Es hat gereicht. Es waren sogar wesentlich mehr als die notwendigen 50 Punkte je Klausur. Also aufatmen bis zum nächsten Prüfungsteil, eine mündliche Prüfung. Aber dazu mehr in Teil zwei.

Wenn ein Prüfer zum Prüfling wird (1)
Wenn ein Prüfer zum Prüfling wird (2)
Wenn ein Prüfer zum Prüfling wird (3)
Wenn ein Prüfer zum Prüfling wird (4)

Mehr Informationen zur Prüfung der Berufspädagogen finden Sie auf meiner Website berufspaedagogen.com.

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